Turnabteilung


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Frisch, Frei, Stark, Treu

Die Anfangsbuchstaben des Mottos sind auf der Fahne eingewirkt, die sich 1908 der des Arbeiter-Turn-Sportvereins Vorwärts von 1895, dem Vorgänger der Turnabteilung, zulegte, die also in diesem Jahr 125 Jahre alt wird.

Wie es bei historischen Daten ist, es kommt auf die Interpretation an. Auch wenn der Arbeiterturnverein Vorwärts am 9. Oktober 1895 gegründet wurde, ist der historische Verlauf nicht so glatt, wie man es gerne hätte: es gibt eine politisch verhängte Unterbrechung von 1933 bis 1945 und dann die Aufnahme in den VfV Hildesheim von 1945: rechnerisch also nur 113 Jahre Wirkungszeit.

Vor diesem Bericht habe ich meine Unterlagen durchgesehen und bin auf verschiedene Quellen zur Geschichte der Abteilung gestoßen. Aus dem Beitrag, den ich zur 90-Jahr-Feier geschrieben habe, werde ich den folgenden Rückblick geben:

Auch damals gab es Schwierigkeiten die Wahrheit herauszufinden. Hier halfen mir Bilder, Zeitschriften, Protokolle und Berichte von Otto Demitz, Fritz Henke und Willi Andermark. Tiefgreifende Einschnitte erwirkten viele Veränderungen. Zu nennen sind zwei Weltkriege und fünf Regierungssysteme wie Kaiserreich, Weimarer Republik, das 3. Reich, die Besatzungszeit und die Bundesrepublik. Ich will mich auf die Zeit bis 1933 im Wesentlichen hier fokussieren.

Eine wichtige gesellschaftliche Grundlage des Kaiserreichs war die Ständeordnung mit Adel, Klerus, Bürgern, Arbeitern und Bauern. Nicht nur auf die politischen Wahlen hatte sie mit dem Drei-Klassen-Wahlrecht Auswirkungen, sondern auch auf die Gründung von Turn- und Sportvereinen. Jeder Stand war stolz, seine eigene Sportbewegung zu haben und grenzte sich gegenüber den anderen ab. Hinzu kam, dass Sportvereine auch religiös, wie katholisch und evangelisch, und rassich, wie deutsch oder jüdisch, ausgerichtet waren, was im 3. Reich seinen unrühmlichen, Menschen verachtenden Höhepunkt fand.

Die deutsche sozialistische Arbeiterbewegung hatte in der Zeit Bismarcks den Kampf gegen das Sozialistengesetz geführt. Dieses Gesetz, 1878 bis 1890, verbot sozialdemokratische, sozialistische und kommunistische Vereine wegen umstürzlerischer Bestrebungen. Nach dem Fall des Sozialistengesetzes 1890 ging man daran zunächst Bildungsvereine, Volksbühnen und Gesangsvereine für Arbeiter zu gründen. 1893 entstand der Deutsche Arbeiter-Turnerbund, ein Jahr später in Brandenburg der erste regionale Bund dieser Art. 1895 war es in Hildesheim soweit. Alle diese Verbände hatten im Kaiserreich einen schweren Stand. Der „Arbeitersport“ schreibt von schikanösen Gesetzen. Turnstunden waren Privatunterricht, wozu Erlaubnisscheine benötigt wurden, die aber oft nicht ausgestellt wurden.

Der Verein hatte zunächst nur eine Männerabteilung; männliche Jugendliche durften nur an Turnabenden teilnehmen, wenn ihre Väter sich unter den Turnern befanden. Erst 1908 konnte eine Zöglingsabteilung gegründet werden, in der die Jungen auch ohne ihre Väter turnen durften. Erst 1913 entstand eine Abteilung für Frauen; Frauenturnen war dennoch sehr verpönt. Unschicklich war es für Frauen „Bein zu zeigen“. So trugen Frauen hochgeschlossene Turnkleidung mit langen Beinkleidern und langen Strümpfen.

Die Folgen des 1. Weltkriegs waren einerseits groß: viele Männer kamen nicht zurück, die Inflation mit ihren wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die politische Instabilität bestimmen das Leben. Doch Aktivitäten in den Sportvereinen entwickelten sich zusehends. Die Stadt stellte Turnhallen zur Verfügung, was diese Entwicklung unterstützte. Kinderabteilungen kamen danach hinzu. Aber auch andere Sportrichtungen fanden Eingang in den Verein „Vorwärts“: Schlag-, Faust- und Fußballmannschaften, die sich mit den Jahren selbstständig machten.

Es entstand schon 1908 ein Arbeitersportkartell von Arbeitervereinen in der Stadt, das sollte die gemeinsamen Interessen gegenüber der Stadt und anderen Behörden vertreten. Ab 1920 wurden Leichtathletik und Handball angeboten. Beim Turnen selbst kamen Angebote wie die tänzerische Gymnastik bei den Frauen, die Freiübungen der Männer wurden aufgelockerter, das Geräteturnen behauptete seine Sonderstellung. Auch das heute vergessene Trommelballspiel von Frauen und 1926 ein Trommler- und Pfeiferkorps wurden aufgestellt.

Viele sportliche Großveranstaltungen konnten auf nationaler Ebene mit oft internationaler Beteiligung organisiert werden oder man nahm an ihnen teil. Viele bauliche Maßnahmen erweiterten die Möglichkeiten Angebote durchzuführen: noch vor 1933 entstanden das Friedrich-Ebert-Stadion und das heutige Klubhaus; die Mitglieder waren mit viel Arbeitseinsatz eingebunden.

Durch Maßnahmen wie die Sperrung der Turnhallen war ein Übungsbetrieb nicht mehr möglich und der AT Vorwärts löste sich 7. September 1933 selbst auf; die Sportvereine der Arbeiterbewegung und die christlichen sind de jure verboten worden, d. h. gedrängt sich aufzulösen. Geld und Anlagen wurden als Volksvermögen beschlagnahmt. Vieles konnte trotzdem diese Zeit überstehen, so die Fahne von 1908, die Wilhelm Schröder in seiner in seinem Haus am Brühl beherzt versteckt hatte.

Das Protokoll der Gründungssitzung im Jahre 1895 wurde auch an einem unbekannten Ort versteckt und so gerettet. Andererseits wurde das Friedrich-Ebert-Stadion erst der Hitlerjugend, dann 1936 dem Reit- und Fahrverein überlassen. Viele Sportgeräte wurden auf dem heutigen Ratsbauhof gelagert und fielen der Witterung zum Opfer. Natürlich gab es auch menschliche Opfer in der Zeit bis 1945.

Im August 1945 vereint der Verein für Volkssport im Wesentlichen frühere Arbeiter-Sportvereine, Turnen, Schwimmen, Fußball und Handball waren die Basis, Radsport und Leichtathletik kamen bis 1948 hinzu. Ehemalige Mitglieder des ST Vorwärts fanden sich zur Gründung des VfVs ein. Es wurden die nebeneinanderliegenden Anlagen der Spielvereinigung und des ATV Vorwärts dem Verein für Volkssport von der Stadt übergeben. Die Gründung geschah durch Genehmigung der britischen Militärregierung.

Die lange Friedenszeit seit 1945 als Abteilung des VfVs verlief für die Turner und Turnerinnen vergleichsweise in ruhigen Bahnen. Schwerpunkt im Angebot ist der Breitensport mit Kinderturnen Mehr und oft ausführlicher ist zu lesen im Frauen- und Männergymnastik und übers Jahr verteilt zusätzliche gesellige Angebote.

Mehr und oft ausführlicher ist zu lesen im Buch „Vom Arbeiterturnen zum Sportverein für alle“, Hrsg. Verein für Volkssport e. V. Hildesheim.
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